Was heisst Obsoleszenz Management?
Im Maschinen- und Anlagenbau können mechanische und elektronische Bauteile sowie Wissen und Prozesse nicht verfügbar sein. Dieser Zustand wird als Obsoleszenz (wörtlich: „Hinfälligkeit“) bezeichnet. Das Obsoleszenz Management minimiert die Folgen dieses Zustands.
Ist das Obsoleszenz Management eine neue Anforderung?
Nein. Obsoleszenz ist schon lange beispielsweise aus der Luftfahrt, dem Schienenverkehr oder der Kraftwerks- und Wehrtechnik bekannt und dementsprechend in der DIN EN 62402 genormt. Diese stellt einleitend fest, dass jedes Produkt durch seinen dauerhaften Gebrauch der Obsoleszenz unterliegt, weil es ständig Neuerungen gibt. Dadurch kann die Verfügbarkeit einer Komponente während des Produktlebenszyklus der Anlage oder Maschine enden. Der Hersteller der Komponente liefert diese nicht mehr, wodurch der Betreiber der Maschine oder Anlage mit Nachschubproblemen bei der Ersatzteilbeschaffung rechnen muss. Das Obsoleszenz Management soll daher schon in einer sehr frühen Phase des Betriebes in die Programmpläne eingebunden werden. Es gibt neben Innovationen noch weitere Gründe für die Obsoleszenz eines Produkts. So können umweltschutzpolitische Überlegungen die Verwendung einiger Materialien obsolet machen. Das ist zu Beginn des Produktlebenszyklus noch nicht bekannt, aber einzukalkulieren. Das Obsoleszenz Management nach DIN EN 62402 definiert die Mindestmanagementanforderung, um der Nichtverfügbarkeit von Bauteilen zu entgehen. Für elektrische und elektronische Komponenten hat die Deutsche Kommission Elektrotechnik | Elektronik | Informationstechnik die Normen im DKE/K 132 „Zuverlässigkeit“ definiert.
Obsoleszenz Management im Maschinen- und Anlagenbau
Während die Elektronikindustrie permanent mit Obsoleszenz konfrontiert ist, weil Halbleiterchips und andere digitale Bauteile sehr kurzen Produktlebenszyklen unterliegen, war das Thema im Maschinen- und Anlagenbau während der vergangenen Jahrzehnte noch nicht so brisant. Der Hintergrund: Die überwiegend mechanischen, pneumatischen und hydraulischen Komponenten (vielfach: Steuerungen) hielten länger und wurden nicht in so kurzen Zyklen erneuert wie moderne elektronische Steuerungen. Das hat sich spätestens ab den 2000er Jahren geändert, weshalb das Obsoleszenz Management im Maschinen- und Anlagenbau immer wichtiger wird. Ein weiterer Grund kommt hinzu: Die Teile werden zunehmend global beschafft. Dabei kaufen die Anlagenbetreiber nicht nur einzelne Komponenten, sondern auch ganze Baugruppen bei internationalen Zulieferern ein, die sich ihrerseits einem hohen Preis- und Innovationsdruck ausgesetzt sehen. Das führt dazu, dass die langjährige Verfügbarkeit der Ersatzteile wie noch in den 1990er Jahren heute nicht mehr gegeben ist. Bei den Zulieferern ergeben sich zwei miteinander gekoppelte Probleme:
- Die Technik entwickelt sich rasant, was die Entwicklung von stets neuen Komponenten erfordert.
- Die Preise und Margen sinken – nicht in jedem Fall, aber in vielen Bereichen.
Bei rasanter Innovation und gleichzeitigem Preisdruck stellen Zulieferer von einer Komponentenbaureihe nur geringe Stückzahlen her. Sie sollen gerade reichen, um den überschaubaren Markt ihrer Abnehmer bedienen zu können. Wenn der Bedarf aber steigt, kann es schnell zur Obsoleszenz kommen. Hinzu kommt, dass manchmal etablierte Zulieferfirmen aufgekauft werden oder miteinander fusionieren. Der neue Eigentümer kann im Ausland ansässig sein, einen globalen Markt bedienen und die Verfügbarkeit mancher Ersatzteile für einen Spezialmarkt (wie den deutschen) nicht mehr für ausreichend relevant halten. Möglicherweise besteht zwischen dem Kunden, einem deutschen Maschinen- und Anlagenbauer, sowie dem vorherigen (jetzt aufgekauften) Zulieferer sogar ein vertraglicher Anspruch auf die Ersatzteillieferung. Doch dieser lässt sich nach Übernahmen und Fusionen manchmal nur noch schwer durchsetzen. Am schwierigsten wird es, wenn ein Zulieferer komplett schließt. Dessen Ersatzteile sind dann in der Regel nicht mehr erhältlich. Der Kunde muss sich um einen neuen Lieferanten kümmern und steht dabei unter Zeitdruck.
Wer muss sich um Obsoleszenz Management kümmern?
Alle Betreiber von Maschinen und Anlagen, deren Komponenten aus den genannten Gründen eher kurzen Produktlebenszyklen unterliegen, müssen das Obsoleszenz Management fest in ihre Planung integrieren. Das betrifft aufgrund der sehr starken Digitalisierung im 21. Jahrhundert praktisch alle Produktionsbereiche, auf jeden Fall auch den Maschinen- und Anlagenbau. Zu beachten sind bei der möglichen Obsoleszenz zunehmend Kombieffekte. Diese bedeuten, dass eine mechanische, hydraulische, elektrische oder pneumatische Baugruppe noch als Ersatzteil zur Verfügung steht, aber nicht ihre digitalen Steuerkomponenten oder nicht einmal der erforderliche Konfigurationsrechner mit seinen Bestandteilen, die einer typischen Technik entsprechen. Das Problem ist ebenfalls schon seit den späten 1990er Jahren bekannt. Drei Beispiele kennen wir alle, die durch die technische Entwicklung überholt wurden:
- Diskettenlaufwerke
- Magnetbänder
- parallele und serielle Schnittstellen
Diese waren vor einigen Jahren noch gängiger Standard, inzwischen sind sie vollkommen obsolet. Es gibt noch mehr Beispiele wie bestimmte Laufwerkstypen (ZIP etc.), jedem technischen Manager fallen entsprechende Beispiele ein. Der Kombieffekt bedeutet nun, dass die Obsoleszenz der digitalen Bauteile auch die Verfügbarkeit der mechanischen, hydraulischen, elektrischen oder pneumatischen Teile einschränkt, was ein Kostenfaktor ist. Dabei ist es nicht so, dass Letztere nicht mit neuer digitaler Technik betrieben werden können. Deren Beschaffung muss nur vorausschauend eingeplant werden. Dafür ist das Obsoleszenz Management zuständig. Dieses wird umso wichtiger, je länger Maschinen und Anlagen durch die Lebensdauer ihrer sonstigen (mechanischen, hydraulischen, elektrischen oder pneumatischen) Teile laufen können. Allerdings, das soll nicht vergessen werden, können auch diese Teile der Obsoleszenz unterliegen. Nur ist das Thema durch die Digitalisierung besonders brisant, denn dass sich Halbleiter im Halbjahrestakt erneuern, ist hinlänglich bekannt. Daher müssen Unternehmen und sonstige Organisation mit lange laufenden Geräten und Anlagen für die Produktion, die Infrastruktur und die öffentliche Versorgung in jedem Fall Obsoleszenz Management anwenden und natürlich über die Risiken von Obsoleszenz informiert sein. Es gilt, deren mögliche Auswirkungen von vornherein zu klassifizieren und auch zu quantifizieren:
- Lassen sich beim Ausfall einer bestimmten Komponente noch alle Verpflichtungen erfüllen? Wie hoch wäre schlimmstenfalls der Schaden?
- Wie lange dürfte die Anlage ausfallen?
- Was hat ein Ausfall für Auswirkungen auf die Außenwirkung eines Unternehmens bei seinen Kunden?
- Drohen Vertragsstrafen? Wenn ja: Wie hoch fallen sie aus?
Der Nutzen eines konsequenten Obsoleszenz Managements
Wenn Unternehmen und Organisationen das Obsoleszenz Management konsequent durchführen, vermeiden sie operative Ausfälle mit bösen Überraschungen, denen die teuren, daher sehr gefürchteten „Feuerwehreinsätze“ folgen. Das Szenario ohne konsequentes Obsoleszenz Management sieht so aus:
- #1 Dem Unternehmen ist bewusst, dass einige Komponenten der Anlage einem stärkeren Verschleiß unterliegen und daher jederzeit ausfallen können. Davon sind beispielsweise die elektronischen Bauteile in einem mit Staub, Hitze, Feuchtigkeit und Gasen belasteten Maschinenraum betroffen.
- #2 Einige der Bauteile (oft nur ein einziges pro Komponente) hält das Unternehmen vorrätig.
- #3 Für einen eher unwahrscheinlichen Ausfall von zwei oder mehr gleichartigen Komponenten verlässt es sich auf seinen Zulieferer.
- #4 Wie es um den Zulieferer beschaffen ist, weiß das Unternehmen aktuell nicht, weil die Geschäftskontakte nur im Ein- bis Dreijahrestakt gepflegt werden – immer dann, wenn das Unternehmen diese sehr speziellen Bauteile benötigt.
- #5 Es kommt zum unerwarteten Ausfall mehrerer Komponenten, das eigene Ersatzteillager kann sie nicht komplett ersetzen.
- #6 Beim Kontakt mit dem Zulieferer stellt sich heraus, dass dieser aufgekauft wurde / insolvent ist und auf jeden Fall das benötigte Teil nicht liefern kann.
- #7 Die Suche nach einem neuen Zulieferer beginnt. Selbst wenn dieser schnell gefunden wird, benötigen dessen Teile möglicherweise spezielle Zulassungen mit einer erforderlichen Prüfungszeit. Hinzu kommen Abhängigkeiten wie Software und Schnittstellen. Der Produktionsausfall verlängert sich dadurch erheblich, das Desaster ist komplett.
Diese verhängnisvolle Kette unterbindet das Obsoleszenz Management. Es beugt den Obsoleszenz Risiken mit einer proaktiven und professionellen Arbeitsweise vor. Es agiert, statt nur zu reagieren, indem der verantwortliche Manager das beschriebene Szenario einkalkuliert und unter anderem Kontakt mit seinem Zulieferer hält, auch wenn er ihn nicht ständig braucht. Er lässt sich von diesem möglicherweise turnusmäßig über die Lieferbarkeit kritischer Teile informieren. Dadurch würde er auch sofort erfahren, dass der Zulieferer aufgekauft wurde oder gar in Schwierigkeiten gerät. Ganz so dramatisch liegt der Fall oft gar nicht. Der Zulieferer könnte einfach von sich aus beschließen, diese Baureihe nicht mehr anzubieten, weil die Nachfrage hierfür zu gering ist oder (siehe oben) es Innovationen auf diesem Sektor gibt. Es gilt nur für sein Kundenunternehmen, solche Informationen stets zeitnah zu erhalten, um sich um Alternativen kümmern zu können. Diese Alternativen könnten ein anderer Zulieferer oder die Anpassung einer Innovation an die eigene Anlage sein.
Was ist beim Obsoleszenz Management zu beachten?
Das Obsoleszenz Management hat Auswirkungen auf die Finanzplanung. Es kostet etwas Geld, aber wahrscheinlich weniger, als die meisten Betriebe glauben. Wie im vorigen Abschnitt beschrieben kann es genügen, dass die verantwortlichen Manager Informationen einholen, um für das Worst Case gewappnet zu sein. Dazu gehören eine Analyse und die Bestandsaufnahme, eine Risikoeinschätzung, die aktive Verfügbarkeitsabklärung, die Entscheidung zu nötigen Maßnahmen und nicht zuletzt eine Kostenkalkulation.
Wir kennen das Thema sehr genau. Kontaktieren Sie uns gern!
Ihr Team von P-51 Headhunters